Was haben Marken und die Natur gemeinsam?

Für mich ist ein Unternehmen ein Lebewesen, ein Organismus und Marken sind es auch. Dieses Verständnis bedingt für die Führung einer Marke grundlegende Regeln.  Die Basis für die folgenden Überlegungen liefert das Markenverständnis von Peter Zernisch, dem Altmeister der Markenforschung, dem ich in meiner beruflichen Entwicklung zu tiefem Dank verpflichtet bin.

In Sprachgebrauch wird der Begriff „Marke“ immer noch sehr unterschiedlich gebraucht. Juristen behaupten, dass sie mit Eintragung der Marke in das Markenregister die Basis der Marke gelegt haben. Die Logos der Designer sind in deren Sinne und Verständnis das Bild und damit die Basis der Marke.  Marketing-Leiter und PR-Spezialisten bilden ein Image und nehmen für sich in Anspruch, die Marke zu führen in der Außenwahrnehmung. Alles, was von den verschiedenen Interessengruppen als Marke bezeichnet, spiegelt eine Sichteise, aber kein tiefes Verständnis einer Marke wider.

Eine Marke ist mehr als das Logo, der Namen und das Produkt, eine Marke ist ein lebendiger Organismus. Ein lebendiges Wessen, dass sich in der Anhängerschaft einer Marke, der Brand-Community, manifestiert.

Trifft diese Theorie zu, müsste man, um die Natur einer Marke zu verstehen, folglich die Natur und die Nöte ihrer Anhängerschaft verstehen. Man müsste verstehen, an was die Gemeinschaft von Menschen glaubt, welcher Orientierung sie folgen. Denn dieser Glauben ist die Basis der Brand-Community.

Die Geschichten der Menschheit, die Mythen, bündeln kulturelle Erfahrungen der Menschheitsgeschichte in kulturellen Werten. Diese Werte wie Nächstenliebe, Mutterliebe, Fürsorge, Mitleid, Wagemut, Gerechtigkeit, Dankbarkeit, Treue, Freiheit usw. sind die Basis unserer kulturellen Identität und geben uns Orientierung; sie sind die Basis für unseren Glauben. Die Kraft dieses Glaubens, stellt sich im Glauben der Anhängerschaft der jeweiligen Marke dar.

Denkt man das Verständnis weiter, wird sehr schnell klar, dass nach dieser Definition insbesondere Religionen, Parteien und auch Fußball-Vereine Marken sind. Die größte Marke nach dieser Definition ist die katholische Kirche mit ca. 1,4 Milliarden Mitgliedern. Der Glauben an Gott ist die Basis, die Binde- und Anziehungskraft der Marke.

Im Verständnis, das eine Marke lebt, lebt diese demnach in der Vitalität der Anhängerschaft, im Geist der Glaubensgemeinschaft. Um eine Marke am Markt zu führen, muss ein Markenmanager sich mit dem Glauben solidarisieren, sonst steht er außen vor und kann die Bedürfnisse und Nöte der Gemeinschaft weder verstehen noch bedienen.

Markenmanagement ist Management der Brand-Community, Management des Glaubens, erkennen der Nöte und Erfüllung der Bedürfnisse. Kurzum bedeutet das Führen einer Marken, leben mit und im Organismus der Marke, in der Brand Community.

Nähern wir von einer anderen Seite dem Ansatz, dass eine Marke ein Eigenleben hat, vergleichbar mit einem Lebewesen, vergleichbar mit der Natur. Die Neue Systemtheorie von Niklas Luhmann liefert ein Erklärungsmodell sozialer Systeme. Wie der Name schon vermuten lässt, besteht der Anspruch der Systemtheorie darin, grundlegende Prinzipien von Systemen zu formulieren. Ein System kann aus unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt sein – ein biologischer Zellverbund, eine Familie, Unternehmen oder eben eine Markengemeinschaft.

So unterschiedlich diese Gebilde auch aussehen mögen – sie alle haben Gemeinsamkeiten. Lebende Systeme sind u.a. dadurch gekennzeichnet, dass sie

… sich selbst steuern,

… nicht von außen geplant und konstruiert werden können,

… sich permanent wandeln und ein Gedächtnis haben,

… an ihr Umfeld gekoppelt sind und sich daran anpassen,

… trotz Veränderungen eine eigene Identität besitzen.

Wendet man die Kennzeichnungen von Luhmann auf Marken anzuwenden, bedeutet das, dass eine Brand-Community sich selbst steuert, ein Eigenleben hat, nicht von außen wie eine Maschine gesteuert werden kann, in permanentem Wandel ist, ein Gedächtnis hat, anpassungsfähig ist und trotz Veränderung eine eigene Identität besitzt. Man denke nun ein Markengemeinschaften wie Tesla, Apple, Nivea, Coca Cola, hessnatur, Volkswagen, um zu verstehen und zu fühlen, wie lebendig und agil eine Marke sein kann und wie sehr die Anhänger an eine gemeinsame Identität glauben.

Wenn also eine Marke ein lebendiges Wesen ist, dann muss man dieses Wesen umsorgen und großziehen wie ein Baby, es hegen und pflegen und darf nichts machen, was diese Marke verletzen kann.

Viel Spaß beim „Marken führen“ im Sinne von Peter Zernisch!